Vielfältige Informatik
Damit sich unterschiedlichste Menschen mit dem Berufsbild eines Informatikers oder einer Informatikerin identifizieren können, brauchen sie Vorbilder. Die Lehre in der Informatik sollte daher deutlich sichtbar machen, dass es nicht nur bestimmte „Typen“ sind, die die Informatik beherrschen, sondern dass es unterschiedlichste Zugänge und Persönlichkeiten gibt, die mit ihren Kompetenzen und Fähigkeiten in der Informatik arbeiten.
Wie viele Berufsgruppen ist auch das Bild des Informatikers von Klischees bestimmt, am bekanntesten ist das Bild des „Nerd“ und dem sollten und können Lehrende vielfältige Bilder entgegensetzen. Denn auch dieses Bild des „Nerd“ trägt dazu bei, dass Frauen, die (trotz Unterrepräsentanz) schon heute zu Tausenden in der Informatikbranche arbeiten, dort seltener wahr- oder ernstgenommen werden.
Dies zeigt der Fall der Softwareentwicklerin Isis Wenger. Wengers Arbeitgeber OneLogin hatte Werbeplakate mit ihr und drei anderen Mitarbeitern drucken lassen.
Im Folgenden wurde immer wieder der Verdacht geäußert, Wenger sei gar keine Ingenieurin, sondern ein Model, das allein für die Kampagne gecastet worden sei. Bei den anderen Mitarbeitern kam dieser Verdacht nicht auf. Als Wenger dies 2015 in einem Blogpost öffentlich machte, entstand daraus die Twitterkampagne #ILookLikeanEngineer. Zunächst waren es überwiegend Frauen, schließlich aber auch etliche Männer, die ein Foto von sich mit diesem Hashtag posteten, um auf die Vielfalt von Identitäten als Ingenieur*innen hinzuweisen. Medienberichte dazu hier.
Aktuell ist „der Informatiker“ die Bezugsgröße, für die es gilt, sie von der Verknüpfung mit bestimmten Formen von Männlichkeit zu lösen. Veränderungen von Kategorien und Relationen können in Lehrveranstaltungen Raum geboten werden, denn es steht weder für immer fest, was unter Männlichkeit, noch was unter Weiblichkeit zu verstehen ist. Diese Kategorien werden im Verhältnis zueinander konstruiert. Sinnvoll ist es, an den Fachkulturen direkt anzusetzen und die Verknüpfung zwischen der Fachwissenschaft und dem, was in dieser als männlich gilt, aufzulösen. Das Ziel ist, dass alle eine vollwertige Informatikerin oder ein vollwertiger Informatiker sein können, auch wenn sie nicht bestimmten Anforderungen von Männlichkeit gerecht werden (Vgl. Greusing 2015). Alle Informatikerinnen und Informatiker sollten Anerkennung finden und auch repräsentiert werden, egal welchen Geschlechts, welcher sexuellen Orientierung, welcher Herkunft, welcher Religion, welchen Alters etc.
Nicht nur das Geschlecht, Menschen werden auch in Bezug auf andere Kategorien unterschiedlich wahrgenommen und diese Kategorien können sich gegenseitig verstärken und stehen in einem Verhältnis zueinander. Das sorgt dann z.B. dafür, dass die Menschen, die es ermöglicht haben, zum Mond fliegen zu können, als homogene Gruppe von weißen Männern wahrgenommen wird, obwohl diese nur scheinbar so homogen ist. So erzählt der 2016 veröffentlichte Film „Hidden Figures“ die Geschichte der drei afroamerikanischen Mathematikerinnen Katherine Goble, Dorothy Vaughan und Mary Jackson, die für die NASA arbeiteten und erheblichen Anteil an der Entwicklung der bemannten Raumfahrt hatten, dafür aber nie Anerkennung erfuhren. Sie wurden nicht nur als Frauen, sondern als Schwarze Frauen diskriminiert.
- Zum Weiterlesen:
Klenk, Florian Cristobal (2017): Lust auf queere Informatik - Anregungen zu einer differenzreflexiven Professionalisierung von Lehrerinnen in der Fachdidaktik Informatik. In: Nadine Balzter, Florian Cristobal Klenk und Olga Zitzelsberger (Hg.): Queering MINT. Impulse für eine dekonstruktive Lehrer_innenbildung. Opladen, Berlin: Barbara Budrich, S. 109–129.
Eggers, Maureen Maisha; Kilomba, Grada; Piesche, Peggy; Arndt, Susan (Hg.) (2017): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. 3. Auflage. Münster: Unrast.
Toolbox Diskriminierungskritische Lehre - FU Berlin: Eine Literatur- und Linksammlung der Gender- und Diversity in der Lehre Toolbox finden Sie hier.
Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin, AG Lehre (Hg.) (2016): Diskriminierungskritische Lehre. Denkanstöße aus den Gender Studies. Unter Mitarbeit von Ulrike Vedder, Sophia Ermert, Maisha M. Eggers, René_ Hornstein und Conni* Krämer. Berlin. Broschüre hier online.
- Literatur
Melter, Claus; Scharathow, Wiebke (2011): Rassismuskritik. 2. Aufl. Schwalbach/Ts: Wochenschau Verlag (Reihe Politik und Bildung, Bd. 47-48).
Nduka-Agwu, Adibeli (Hg.) (2013): Rassismus auf gut Deutsch. Ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel (Transdisziplinäre Genderstudien, 1).
Greusing, Inka (2015): (Re-)-Konstituierung der 'Ausnahmefrau' zur Stabilisierung des heteronormativen Feldes der Ingenieurwissenschaften. In: Tanja Paulitz, Barbara Hey, Susanne Kink und Bianca Prietl (Hg.): Akademische Wissenskulturen und soziale Praxis. Geschlechterforschung zu natur-, technik- und geisteswissenschaftlichen Fächern. 1. Auflage. Münster: Westfälisches Dampfboot (Forum Frauen- und Geschlechterforschung, Band 42), S. 138–155.