Lehrmethoden
Lehrmethoden, die die Diversität von Studierenden, ihre unterschiedlichen Vorkenntnisse, Verhaltensmuster, Zugänge, Lernwege, Kompetenzen, habituelle Unterschiede und anderes berücksichtigen, tragen dazu bei, dass ihre Lernerfolge größer sind und dass weniger ihr Studium abbrechen müssen. Statt den einen „Typen“ herauszufiltern, der zur bestehenden Fachkultur am besten passt, fördert eine gender- und diversitysensible Lehre unterschiedlichste Persönlichkeiten und Zugangswege zur Informatik und trägt damit zu besseren und innovativeren Lösungen bei.
Um Studierenden deutlich zu machen, was uns als Menschen und damit unsere Sichtweisen prägt und beeinflusst, kann das Diversity-Rad verwendet werden, das mit einer schematischen Darstellung versucht, die unterschiedlichsten Differenzkategorien sichtbar zu machen. Studierende können es auf sich selbst anwenden und in Relation dazu z.B. Mitstudierende in Bezug auf deren Dimensionen befragen. Es kann aber auch dafür angewendet werden, um bei der Software Entwicklung alle Dimensionen durchzugehen und zu reflektieren, inwiefern diese berücksichtigt sind.
Vorherrschende Methodologie bei der Erstellung von Anforderungsprofilen ist oft die „I-Methodology“. Dabei gehen Softwareentwickler*innen von sich selbst aus, das heißt, sie überlegen, welche eigenen Ideen, Wünsche und Interessen sie mitbringen und wie die Software aufgebaut sein müsste, um diese zu integrieren. Auch Studierende gehen vielfach I-methodologisch vor, wenn die Aufgabenstellung darin besteht, sich mit Nutzer*innenprofilen zu beschäftigen.
- Zum Weiterlesen:
Haag, Maren; Weber, Cindy; Heim, Johannes; Marsden, Nicola (2016): Geschlechterkonstruktionen in der Anforderungsspezifikation von IT-Projekten. In: Helena Barke, Juliane Siegeris, Jörn Freiheit und Dagmar Krefting (Hg.): Gender und IT-Projekte. Neue Wege zu digitaler Teilhabe. Opladen, Berlin, Toronto: Budrich UniPress Ltd., S. 61–70.
Um diese Ich-Zentriertheit aufzubrechen, wurden verschiedene Methoden entwickelt, die auch für die Lehre interessant sein können. Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler*innen, hat den Implicit Association Test (IAT) entwickelt: „The IAT measures the strength of associations between concepts (e.g., black people, gay people) and evaluations (e.g., good, bad) or stereotypes (e.g., athletic, clumsy).” Der Test macht unbewusste Vorurteilsstrukturen deutlich, von denen wir geprägt sind. Man kann sich selbst z.B. zu den Kategorien Alter, Religion, Gewicht, Geschlecht oder Sexualität testen.
- Zum Weiterlesen/Links:
Implicit Association Test (English)
Implicit Association Test (Deutsch)
Dorothea Erharter hat einen Test für die Entwicklung von Apps und Websites entwickelt, der im Netz zur Verfügung steht: „G-U-T. Gender & Diversity, Usability und Testing als Qualitätssicherung von Apps und Websites“. Hier wird z.B. nach Zielgruppen, Stereotypen, physiologischen Unterschieden und verschiedenen Nutzungsszenarien gefragt, um Entwickler*innen dabei zu helfen, möglichst viele Dimensionen zu berücksichtigen.
- Zum Weiterlesen/Links:
Der G-U-T-Test wurde von Gender und Technik in Kooperation mit ZIMD - Zentrum für Interaktion, Medien & soziale Diversität - veröffentlicht. Auf diesen beiden Seiten können Sie weitere hilfreiche Ressourcen finden.
Barke, Helena; Siegeris, Juliane; Freiheit, Jörn; Krefting, Dagmar (Hg.) (2016): Gender und IT-Projekte. Neue Wege zu digitaler Teilhabe. Opladen, Berlin, Toronto: Budrich UniPress Ltd.
An der Universität Bremen wurde das GERD-Modell (Gender Extended Research and Development) entwickelt, um systematische Ansatzpunkte für die Einbeziehung von Gender- und Diversity-Aspekten in die Informatikforschung und -entwicklung aufzuzeigen.
Ein Beispiel aus dem GERD-Modell: Überlegen Sie anhand der Diversity-Dimensionen, welche Menschen zu Ihrer Zielgruppe gehören. Betrachten Sie dabei Diversity-Dimensionen, die Ihnen für Ihr Projekt wichtiger erscheinen, genauer.
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- Zum Weiterlesen/Links:
Der Gesamtreflexionskatalog des GERD-Modells mit allen Fragen findet sich hier.
Eine andere Möglichkeit, Nutzerinnen und Nutzer in den Software- Entwicklungsprozess miteinzubeziehen, ist der Einsatz von sog. Personas, die als Modellcharaktere genutzt werden, um Software auf ihre Benutzerfreundlichkeit zu testen. Die Internetseite „The GenderMag Project“ zeigt, wie dies funktioniert, anhand von Videosequenzen und Anwendungen, die man selbst durchführen kann. Ergänzt wird das Angebot durch Streams, z.B. eines Vortrags von Margaret Burnett mit dem Titel „Womenomics & Gender-Inclusive Software: What the Software Industry Needs to Know“.
- Zum Weiterlesen/Links:
http://gendermag.org/
Monoedukation
In scheinbarem Widerspruch dazu steht die Einrichtung monoedukativer Studiengänge oder Studieneingangsphasen an einigen Hochschulen. Sie basieren auf der Erkenntnis, dass es in gemischten Lehreinheiten durch Dominanzverhalten der männlichen Studierenden, durch fortgesetztes „Doing Gender“ und die Persistenz von Stereotypisierungen zu einer dauerhaften Entmutigung von Frauen und einem „Verdrängungswettbewerb“ kommt, in dem viele Frauen kein ausreichendes fachliches Selbstbewusstsein entwickeln können, schneller resignieren und ihr Studium abbrechen. In monoedukativen Studiengängen können dagegen Erfolg, Misserfolg und Verhalten nicht anhand des Geschlechts interpretiert werden.
In Deutschland werden derzeit drei monoedukative „Frauenstudiengänge“ im Informatik-Bereich angeboten:
- BA Informatik und Wirtschaft, HTW Berlin
- BA Informatik, Hochschule Bremen
- BA WirtschaftsNetze (eBusiness), H Furtwangen