Fachgeschichte und Fachkulturen

Um die fachliche Lehre gendergerecht zu gestalten, ist es wichtig, den Fachhabitus zu beleuchten, der in den Studiengängen vermittelt wird:
„Als Habitus wird dabei ein verinnerlichtes Konzept aus Werten, Normen, Denk- und Problemlösemethoden verstanden, der in aller Regel nicht explizit, sondern implizit durch einen ‚heimlichen Lehrplan‘ in einer definierten Fachkultur vermittelt wird. Diese wiederum hat unmittelbaren Einfluss auf Inklusions- und Exklusionsmechanismen des Fachs, ist also relevant bei der Frage, ob und wie sich der Maschinenbau gegenüber neuen Zielgruppen, und hier insbesondere Frauen, öffnet.“  (Ihsen 2013: 2).

Zu diesem – oft unbewusst weitertransportierten – heimlichen Lehrplan zählt die Art und Weise, ob und wie die Geschichte des Faches präsentiert wird, wie dargestellt wird, woher die Fachdisziplin kommt, in welchem Kontext sie entstanden ist und insbesondere welche Geschlechterbilder vermittelt und in der Lehre reproduziert werden.

Im geschichtlichen Kontext lassen sich nicht nur entscheidende Veränderungen bei der Entwicklung bestimmter Maschinen und Technologien und deren Bedeutung hervorragend aufzeigen, sondern auch die jeweiligen Umstände, Akteur*innen und Interessen, die die Entwicklung vorangetrieben bzw. behindert haben sowie ihre Auswirkung.

In einer gendergerechten Lehre sollten dabei auch die Mechanismen, durch die Frauen von dieser Entwicklung ausgeschlossen wurden, thematisiert werden und verdeutlicht werden, wieso gerade in den deutschsprachigen Ländern die traditionellen Berufsbilder des Ingenieurs oder Naturwissenschaftlers besonders männlich konnotiert sind.

So lässt sich die Konstruktion des Maschinenbaus in Deutschland als männlich konnotiertes Fach anhand der Entwicklung der Ingenieurwissenschaften zu einer anerkannten Wissenschaftsdisziplin darstellen. Hier zwei Beispieltexte, der erste bezieht sich auf die Zeit vor der Industrialisierung und der zweite auf das Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts:

„Schon ein Jahrhundert vor dem Höhepunkt der Industrialisierung entstand das Berufsfeld des Ingenieurs durch das Kriegshandwerk. Im 17. Jahrhundert bildeten sich erste Schulen und Universitäten, die ingenieurswissenschaftliche Ausbildungen, beispielsweise im Schiffbau oder im Landvermessen, anboten. Die einsetzende Industrialisierung zu Beginn des 18. Jahrhunderts verbreiterte das Berufsfeld enorm und es entstanden staatliche Einrichtungen, die sogenannte ‚technische Beamte‘ ausbildeten. In dieser geschichtlichen Entwicklung liegt auch der Grund, warum Maschinenbauingenieure bis heute zum Großteil männlich sind. Den Frauen war in der damaligen Zeit untersagt, an der Kriegsführung teilzunehmen und Einrichtungen zur höheren Bildung zu besuchen.  Die rasante Ausbreitung der Industrialisierungführte zu immer mehr Unternehmensgründungen, Massenproduktionen waren an der Tagesordnung und der Bedarf an Maschinen wuchs stetig. Das Berufsbild des Maschinenbauingenieurs war geboren und hat bis heute nichts von seiner großen Bedeutung eingebüßt.“ (Ihsen 2013: 2).

„So beschloss noch vor der eigentlichen Anerkennung Technischer Hochschulen die Eisenacher Rektorenkonferenz Ende des 19. Jahrhunderts den Ausschluss von Frauen zum Ingenieurstudium – und das, obwohl bereits Frauen, vor allem Lehrerinnen, als Studentinnen und Gasthörerinnen in technischen Lehrveranstaltungen saßen. Mit der Einführung eines Vorpraktikums Anfang des 20. Jahrhunderts (nach der Anerkennung der Technischen Hochschulen und nach der Einführung des Frauenstudiums in Deutschland) wurde die Exklusion von Frauen noch verstärkt, da sie körperlich als zu schwach für praktische Ingenieurtätigkeit galten und dies dem gesellschaftlichen Rollenverständnis der damaligen Zeit auch nicht entsprach. Erst mit dem ‚Sputnik-Schock‘ 1957 wurde aus bildungsökonomischen Gründen die Politik der Chancengleichheit in der Bildung eingeführt (zur Steigerung des Studierendenanteils insgesamt und in den Ingenieurwissenschaften im besonderen), und direkt auf die Steigerung der Frauenanteile in Natur- und Ingenieurwissenschaften ausgedehnt (heute sprechen wir von den MINT-Fächern). Dies führte ab den 1980er Jahren zu einer Perspektivenverschiebung, weg von der Vorstellung, Frauen besonders fördern zu müssen (im Sinne von ‚Nachhilfe‘), hin zu einer Betrachtung der ingenieurwissenschaftlichen Fachkultur und ihrer Exklusionsmechanismen.“ (Ihsen 2013: 2).

Weitere Literatur zur Vertiefung des Themas findet sich in der Literaturdatenbank.

Besonders hingewiesen sei hier aber noch auf die Schriften von Tanja Paulitz, Professorin am Institut für Soziologie, Arbeitsbereich Kultur- und Wissenssoziologie der TU Darmstadt; Arbeitsschwerpunkt u.a.: Techniksoziologie.

  • So z.B.: Paulitz, Tanja; Prietl, Bianca (2013): Spielarten von Männlichkeit in den "Weltbildern" technikwissenschaftlicher Fachgebiete. Eine vergleichende empirische Studie an österreichischen Technischen Hochschulen. Online verfügbar hier bzw. hier

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ihre Habilitationsschrift, in der sie die Geschichte des Ingenieurs und der modernen Technikwissenschaften in der Zeit von 1850 bis 1930 mit einem besonderen Schwerpunkt auf Mechanik und der Maschinentheorie behandelt und die Geschlechternormen und Geschlechterrollen in der Welt der Technik analysiert und beschreibt:

  • Paulitz, Tanja (2012): Mann und Maschine. Eine genealogische Wissenssoziologie des Ingenieurs und der modernen Technikwissenschaften, 1850-1930. Bielefeld.

Neben der Darstellung des historischen Ausschlusses der Frauen aus den Ingenieurwissenschaften insbesondere in Deutschland kann das Thema in Lehrveranstaltungen aber auch positiv gewendet werden, indem auf historische Leistungen von Frauen z.B. in anderen Ländern hingewiesen wird. So gibt beispielsweise folgende Grafik einen Eindruck der Erfindungen und Patente von Frauen in den USA im Zeitraum von 1790 bis 1895:

 

Bedeutende Frauen im Maschinenbau
Neben der allgemeinen Fachgeschichte können in der Lehre wichtige handelnde Personen hinter technischen Entwicklungen sichtbar gemacht und die historischen Kontexte erläutert werden. Mehr…

Länderspezifische Unterschiede
Auch die unterschiedliche Situation von Maschinenbau-Studentinnen in Deutschland und anderen Ländern, in denen die Ingenieurwissenschaften weniger stark männlich geprägt sind, kann in der Maschinenbau Lehre thematisiert werden. Mehr…

Berufsorientierung
Über die Berufsrealität und den Berufsalltag von Ingenieurinnen und Ingenieuren im Allgemeinen und im Maschinenbau im Besonderen wissen die meisten Studierenden sehr wenig. Mehr…

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