Forschung und Entwicklung

Ingenieurwissenschaftliche Tätigkeit findet stets in sozialen Zusammenhängen statt – besonders offensichtlich wird dies bei den Anforderungen künftiger Nutzender. Bei der Entwicklung ingenieurwissenschaftlicher Produkte ist es deshalb notwendig, die technischen Gestaltungsprozesse vor dem Hintergrund sozialer Vielfalt zu reflektieren und Gender- und Diversity-Aspekte zu beachten, um einseitige oder stereotype Annahmen über Zielgruppen zu vermeiden, die zu wirtschaftlichen Fehlschlägen, Akzeptanzschwierigkeiten oder Gefahren für die Menschen führen. Konkret bedeutet dies, dass bei der Produktentwicklung zu prüfen ist, ob in Studien- und Lehrumfeld, Forschung und Entwicklung, Unternehmens- und Forschungskultur auch die Interessen und Kompetenzen Älterer/Jüngerer, aller Geschlechter, Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen, Menschen mit Behinderungen und/oder Benachteiligungen einbezogen sind.

Dabei zeigt der Genderblick auf die Zielgruppen der Produktentwicklung wichtige Unterschiede, aber oft auch Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern; die Geschlechter müssen deshalb auch innerhalb ihrer jeweiligen Gruppen betrachtet werden, um z.B. die Differenziertheit innerhalb der Gruppe Frauen wahrnehmen zu können (jung/alt, Mutter/nicht Mutter, Managerin/Büroangestellte...).


(Quelle: erstellt von Sandra Buchmüller, Creative Commons Lizenz 3.0)

Mensch-Maschinen-Schnittstellen

Einen wichtigen Aspekt innerhalb der Produktentwicklung stellt die Berücksichtigung genderkritischer Mensch-Maschinen-Schnittstellen dar: Bei der Entwicklung neuer Maschinen ist die Beachtung genderspezifischer Anforderungen notwendig, so dass sie eine Gebrauchstauglichkeit nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen haben.

Die Leitfragen dabei lauten: „Welches Menschenbild liegt bestimmten Normen, Annahmen und Vorgehensweisen zugrunde? Wie wird mit marginalisierten Personen umgegangen (bspw. Menschen mit Beeinträchtigungen)? Wo gibt es Abweichungen von einer Norm, wer oder was fällt heraus?“ (Draude (o.J. [2016]): 21).


(Quelle: erstellt von Hans-Hermann Braess, Ulrich Seiffert, Creative Commons Lizenz 3.0)

So untersuchte z.B. ein Forschungsprojekt an der Universität Linz („Ge:MMaS – Genderspezifische Anforderungen für die Entwicklung neuer Maschinen unter Berücksichtigung der Mensch-Maschine-Schnittstelle“) die Geschlechternormen im Maschinenbau und zeigte auf, dass im Entwicklungsprozess neuer Maschinen oder Technologien die Anforderungen überwiegend von Männern definiert werden, obwohl Frauen oftmals die Bedienerinnen der Maschinen sind. Im Ergebnis sind die Maschinen dann in der Regel an männlichen Körpermaßen orientiert, was Frauen die Bedienung deutlich erschwert. (Siehe: Ernst/ Cojocaru 2011)

Beispiel: Der Begriff der Norm innerhalb der Ergonomie

Eine Handreichung von Prof. Dr. Claude Draude, die im Fachbereich Maschinenbau der Technischen Universität Braunschweig entstand, stellt ein Modell zur Integration von Gender- und Diversity-Aspekten in die ingenieurwissenschaftliche Lehre im Bereich der Ergonomie vor. Es wurde von einem interdisziplinären Team anhand einer Lehrveranstaltung zur „Einführung in die Karosserieentwicklung“ (Institut für Konstruktionstechnik) entwickelt.

Dieses Modell soll die Verantwortlichkeit der Studierenden für technische Entwicklung genauso erweitern wie ihre Fähigkeit, Auswirkungen von Technik auf die Gesellschaft beurteilen zu können. Es betrachtet den Menschen im Wechselspiel mit der Maschine und bietet so Anknüpfungspunkte für eine „Reflexion darüber an, welche Menschen hier im Blick sind, welches Wissen über den Menschen auf welche Weise generiert wird und wie dies in die Entwicklung technischer Systeme einfließt.“ (S. 9)

Da in der Karosserieentwicklung hierzu mit anthropometrischen Vermessungen gearbeitet wird, die in Form von Normen vorliegen, fokussiert das Modell auf die ingenieurwissenschaftlichen Normen und Modelle vom Menschen, mit denen innerhalb der Ergonomie gearbeitet und nach denen technische Artefakte ausgerichtet werden:

„Reflexionswissen zur Norm (oder anderen Anknüpfungspunkten) kann anhand des Dreischritts der ‚Historisierung, Kontextualisierung, Situierung‘ und im Hinblick auf Interventionsmöglichkeiten gewonnen werden. So ermöglicht es der historisch-kulturelle Rückblick, bspw. die Entstehungsgeschichte von bestimmten Begriffen oder Konzepten und Anwendungen, auf Ausschlüsse und Einschlüsse hin zu untersuchen. Ein eingängiges Beispiel hierzu aus dem Automobilbereich ist die Entwicklung von Crash Test Dummies, die zunächst an männlichen Normkörpern ausgerichtet waren. Obwohl später weibliche Körpermodelle und Kinderkörpermodelle hinzukamen, blieb die besondere Anforderung ‚Schwangerschaft‘ lange unberücksichtigt. Der Begriff der Situierung erlaubt dagegen eine Positionierung der zu entwickelnden Technologie im ‚Hier und Jetzt‘. Für die Normen im Automobilbau ist ausschlaggebend, für welchen Markt produziert wird. So wird ein an der DIN ausgelegtes Auto nicht für asiatische Markte ergonomisch ausgelegt sein können bzw. auch in Deutschland längst nicht alle Menschen umfassen. Der Begriff der Kontextualisierung betont die Bedeutung von Umwelt- und Umgebungsbedingungen. Für die anthropometrische Ergonomie kann es bspw. bei der Auslegung von Arbeitsmaschinen wichtig sein, ob je nach Witterungsbedingungen unterschiedliche Kleidung getragen wird, die den Bewegungsradius oder die Bewegungsfähigkeit einschränkt.“ (S. 11)

Zum Weiterlesen:

  • Pregnant Crash Dummies: Rethinking Standards Reference Models (hier einsehbar).
  • Exploring Markets for Assistive Technologies for Elderly (hier einsehbar).

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