Lehr-Lern-Setting

Wie kann eine Integration von Gender in die Lehre konkret aussehen? Was ist dabei zu beachten? Welche Good-Practice-Beispiele gibt es bereits?

„Eine gender- und diversitysensible Lehre verfolgt den Anspruch, die verschiedenen Lebenswirklichkeiten, individuellen Interessen und Lebensbedürfnisse der – hinsichtlich Gender, Alter, sozialer und kultureller Herkunft etc. zunehmend ausdifferenzierten – Studierendenschaft zu berücksichtigen. Das schließt Veränderungen von Lehr-Lern-Settings sowie auch von Lehrinhalten und deren Aufbereitung mit ein. Für die traditionell männlich konnotierten MINT-Studiengänge bedeutet dies, eine Lehr-Lern-Kultur zu fördern, in der sich Menschen aller Geschlechter zuhause fühlen und auch dafür sorgen, dass Gender- und Diversity-Bezüge in den fachlichen Inhalten deutlich werden.“ (Probstmeyer/Döring 2017: 260)

Um in diesem Sinn Bezüge zu Gender und Diversity (GuD) in die Lehre zu integrieren, werden drei verschiedene Modelle empfohlen (nach Schwarze 2009):

  • Explizites Angebot als GuD-Studiengang oder fachübergreifendes Angebot als GuD-Modul;
  • Integrativer Ansatz – GuD als Querschnittsaufgabe und integraler Bestandteil des Studiums;
  • Partikularer Ansatz – GuD in Fachmodulen oder als Modulbestandteile.

Beispiel für ein integriertes Lehrprojekt (integrativen Ansatz)

  • Gender im Maschinenbaustudium der Beuth Hochschule für Technik Berlin

Das allgemeine Ziel dieses integrierten Lehrprojektes ist eine Verbesserung von Lern- und Lehrkonzepten aus spezieller pädagogisch-genderbezogener Sicht, mit dem Nebeneffekt: „Was hilft, den Frauenanteil im Fachbereich zu erhöhen, ist auch für die männlichen Studierenden von Vorteil.“

Das integrierte Lehrprojekt soll einen unmittelbaren Verwendungs- und Anwendungsbezug durch die inhaltliche Kombination der Technischen Mechanik und der Konstruktion schaffen. Es ist für das zweite Studiensemester vorgesehen und soll mithelfen, den Studierenden schon in einem frühen Stadium ihres Studiums das Kennenlernen von Berufsrollen (Projektmanager/in, Berechnungsingenieur/in, Konstrukteur/in) zu ermöglichen und einen unmittelbaren Berufsfeldbezug zu schaffen. Hierbei soll aufgezeigt werden, dass neben den fachlichen Kompetenzen auch die sozialen Kompetenzen und persönliche Lern-Präferenzen und deren Berücksichtigung entscheidend für den Erfolg eines Projekts sind. Das vorgestellte Konzept des Projektes soll interessierte Lehrende animieren, Möglichkeiten der Übertragbarkeit in andere Bereiche und Hochschulen zu überprüfen (siehe hier).

Beispiele für die Integration von Gender und Diversity in Fachmodule des Studienbereichs Maschinenbau / Verfahrenstechnik (partikularer Ansatz)

  • Arbeitswissenschaft

Sie eignet sich besonders gut zur inhaltlichen Integration von Gender-Diversity-Aspekten, denn sie hat neben technischen Inhalten auch gesundheitswissenschaftliche, ökonomische und soziale Grundlagen und beschäftigt sich mit den Schnittstellen Mensch-Maschine-Technik. Eine von Christine Deja und Bettina Jansen-Schulz im Jahre 2010 herausgegebene Broschüre der Fachhochschule Hannover zeigt auf S. 27-31, wie dies in der Praxis aussehen kann.

Zusätzlich entwickelte Bettina Jansen-Schulz an der Leuphana Universität Lüneburg im Jahre 2010 Genderpackages für verschiedene Studienbereiche, die beispielhaft eine mögliche Integration von Genderthemen in die Lehre aufzeigen. Zu diesen Bereichen zählt auch die Arbeitswissenschaft (s. S. 13ff). Es werden exemplarisch zwei Modulbeispiele vorgestellt, deren Lehr-/Lernziel eine Gendersensibilisierung bei der Personalentwicklungsplanung ist. Als „Genderinhalte“ werden in den Modulbeschreibungen u.a. aufgeführt: „Geschlechtsspezifisch segregierter Arbeitsmarkt, insbes. In technischen Berufen. Entwicklung von Berufen: Feminisierung Maskulinisierung von Berufen.“

Unter dem Punkt „Transfer zur Arbeitswelt“ wird aufgeführt: „Recherche in Produktionsbetrieben zu Genderaspekten bei Arbeitsschutzbestimmungen und ihre historische Entwicklung und kritische Hinterfragung bestehender Notwendigkeiten.“

  • Automatisierungstechnik

Die oben erwähnten Genderpackages der Leuphana Universität Lüneburg enthalten auch mehrere Beispiele für den Bereich Automatisierungstechnik.

Als mögliche Genderthemen in der Lehre werden aufgeführt (S. 10):

  • Programmierungskurse für Frauen,
  • CAD/CNC für Frauen,
  • Gender und Vertrags-Arbeitsrecht,
  • Gender und Technologiefolgenabschätzung,
  • Gesellschaftswissenschaftliche Anteile,
  • De-Gendering von ergonomischen geschlechtsspezifischen Annahmen,
  • Gender in den Arbeitsfeldern der Automatisierungstechnik.

Auch eine Reihe konkreter Modulbeschreibungen wird in den Genderpackages vorgestellt (S. 10 und 18-26). Darunter z.B.:

  • Modul zur Regelungstechnik „dynamische Systeme und Rückkoppelungen in Natur und Gesellschaft“

Genderinhalt: „Dies ist ein ganzheitlicher Ansatz, der zum vernetzten Denken anregt und durch seine Ganzheitlichkeit beide Geschlechter gleichermaßen anspricht.“

Transfer zur Arbeitswelt: „Wo kommen solche Systeme in der Arbeitswelt vor, wer arbeitet damit (Frauen, Männer) in welchen Tätigkeitsbereichen sind Frauen und Männer zu finden und warum?“

  • Modul Arbeitssicherheit

Genderinhalt: „Diese kann in der Produktionstechnik auch unter Geschlechterfragen bearbeitet werden. Welche Arbeitsschutzmaßnahmen gibt es für Frauen, welche für Männer, wie haben die sich historisch entwickelt, sind sie noch sinnvoll, finden sich in ähnlichen beruflichen Tätigkeiten (z.B. Heben und Tragen von Lasten) die gleichen Arbeitsschutzbestimmungen (Beispiel Tragen von Patienten im Gesundheitsbereich und Lasten im Produktionsbereich)? Die vor ca. 10 Jahren geänderten Sanitärraumordnungen sind z.B. immer noch weitgehend unbekannt und verhindern nach wie vor Einstellungen von Frauen mit dem Argument der (nicht mehr) notwendigen geschlechtsgetrennten Toiletten.“

Transfer zur Arbeitswelt: „Recherche in Produktionsbetrieben zu Genderaspekten bei Arbeitsschutzbestimmungen und ihre historische Entwicklung und kritische Hinterfragung bestehender Notwendigkeiten.“

  • Modul Technische Optik

Genderinhalt: „Grundlegende optische Naturgesetze werden bearbeitet und auf die Lebenserfahrungen der Studierenden in vielfältiger Weise bezogen.“

  • Statik

Da die Statik elementar für das Ingenieurstudium ist, aber auch in vielen anderen Disziplinen und Anwendungsfeldern gebraucht wird, kann in Statik-Modulen der interdisziplinäre Charakter und Anwendungsbezug des Faches insbesondere unter dem Aspekt des Nutzens für unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft verdeutlicht werden. Dies wurde beispielhaft in einem Statik-Modul des Studiengangs Maschinenbau an der Fachhochschule Osnabrück umgesetzt. Als Kompetenz-Ziele hieß es in der Modulbeschreibung u.a.: „Exemplarisch bedeutende historische und aktuelle Entdeckungen und Entwicklungen von Frauen und Männern kennenlernen.“ (Genaueres ist nachzulesen bei: Helmes/Schwarze 2008: 75-85)

Ein weiteres Modell: Monoedukative Studienangebote

Die Einrichtung monoedukativer Studiengänge oder Studieneingangsphasen basiert auf der Erkenntnis, dass es in gemischten Lehreinheiten durch Dominanzverhalten der männlichen Studierenden, durch fortgesetztes Doing Gender und die Persistenz von Stereotypisierungen zu einer dauerhaften Entmutigung von Frauen und einem ‚Verdrängungswettbewerb‘ kommt, in dem viele Frauen kein ausreichendes fachliches Selbstbewusstsein entwickeln können, schneller resignieren und ihr Studium abbrechen. In monoedukativen Studiengängen können dagegen Erfolg, Misserfolg und Verhalten nicht anhand des Geschlechts interpretiert werden. Im Studienbereich Maschinenbau / Verfahrenstechnik gibt es u.W. bisher lediglich einen monoedukativen Studiengang, und zwar den monoedukativen Studiengang Maschinenbau an der Hochschule Ruhr West.

Ab dem Wintersemester 2018/19 können technikinteressierte Frauen dort Maschinenbau in einer monoedukativen Variante mit entsprechendem Begleitprogramm studieren. Das Curriculum ist identisch mit dem des gemischten Studiengangs; Lehr- und Lernformen sollen allerdings anders eingesetzt werden; der Praxisbezug steht stark im Vordergrund. Dadurch soll nicht nur ein frauenförderndes Bildungsangebot für einen ‚techniklastigen‘ Studiengang sondern auch ein Schritt hin zu einer Veränderung der Fachkultur gemacht werden, indem darauf eingegangen wird, dass Frauen – viel stärker als die jungen Männer – wissen wollen, warum sie etwas lernen, viel häufiger Fragen stellen und Lerninhalte diskutieren wollen. In den ersten Semestern studieren die Frauen „unter sich“. Ab dem fünften Semester studieren die Frauen dann im gemischten Studiengang weiter und gehen mit den gleichen Kompetenzen in die Lehrveranstaltungen wie die männlichen Kommilitonen.

Weitere Quellen und Links

Checkliste zur Aktualisierung oder Neugestaltung Ihrer Lehrveranstaltung zur Einbindung gendergerechter Lehrinhalte im Maschinenbau:

  • Ihsen, Susanne (2013): Input Handlungsempfehlungen für Gender-Aspekte in die Maschinenbau-Lehre. Dialog MINT-Lehre. Mehr Frauen in MINT-Studiengänge Ein Projekt des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, S. 4ff.

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