Gleichstellungsaspekte
Genderaspekte in die Lehre zu integrieren, hat auch eine gleichstellungspolitische Dimension.
Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit
Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit im Bildungssystem bedeutet auch, dass alle gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen auf allen Ebenen vertreten sind. Stellt sich heraus, dass bestimmte Gruppen unterrepräsentiert sind (bspw. Frauen oder Menschen aus nicht-akademischen Familien) ist es sinnvoll und geboten, Fördermaßnahmen zu entwickeln mit dem Ziel, diese Unterrepräsentanz zu beseitigen. Die Pflicht des Staates, in Sachen Gleichstellung von Männern und Frauen tätig zu werden, ergibt sich letztlich aus Artikel 3 des Grundgesetzes:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Es ist daher wichtig, zu hinterfragen, welche Strukturen es verhindern, dass bestimmte Gruppen, in diesem Zusammenhang insbesondere Frauen, in den MINT-Fächern unterrepräsentiert sind. Mittelbare und unmittelbare Diskriminierungen können verhindern, dass Frauen sich für bestimmte Studiengänge interessieren oder sie erfolgreich abschließen. Eine fehlende Ansprache durch einseitige Bildauswahl oder eine nicht-gendergerechte Sprache, bauliche Strukturen, alltägliche oder abwertende Bemerkungen, die die Motivation oder die Fähigkeiten von Frauen in Zweifel ziehen, sexistische Verhaltensweisen und vieles andere können Frauen demotivieren oder ihren Studienerfolg beeinträchtigen. Dies gilt im Übrigen auch für Männer, die möglicherweise nicht dem ‚Idealbild‘ eines Ingenieurs entsprechen.
Die Verpflichtung der Hochschulen, Diskriminierung abzubauen und Chancengleichheit zu erhöhen, ist in vielen Hochschulgesetzen, Gleichstellungsgesetzen und letztlich im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verankert.
Gender- und Diversitykompetenz
Gute Lehre bedeutet, alle Studierenden gleichermaßen und vorurteilsfrei zu fördern und sie darin zu unterstützen, ihre Kompetenzen und Fähigkeiten frei zu entfalten. Dies setzt das Bewusstsein oder die Bereitschaft voraus, die Diversität von Studierenden nicht als Problem, sondern als Bereicherung zu begreifen, eigene Stereotype und Vorurteile immer wieder zu hinterfragen, insbesondere bei der Leistungsbewertung, und daraus neue Verhaltensweisen und Methoden zu entwickeln, die Ungleichheiten abbauen anstatt sie zu verstärken. Dies wird auch als Gender- und Diversitykompetenz bezeichnet.
Zentrale Elemente sind die Dimensionen: Wissen, Wollen und Können. Das Wissen beinhaltet Kenntnisse über Geschlechter- und Machtverhältnisse in der Gesellschaft sowie deren Bedeutung und Wirkung im eigenen Fachgebiet und im jeweiligen Berufsfeld. Das Wollen zeigt sich in der Bereitschaft, diese zu verändern. Und das Können bezeichnet die Fähigkeit, gendersensibel zu arbeiten durch die Kenntnis von Methoden und Instrumenten, um Stereotype sichtbar zu machen, ihre Wirkung zu verringern und Chancengleichheit zu erhöhen.
Wie groß der Einfluss von unbewussten Denkmustern, Bildern und Stereotypen ist, zeigen beispielsweise Versuche mit anonymisierten Bewerbungsverfahren, die oft völlig andere Ergebnisse bringen als Verfahren, in denen Fotos (und damit z.B. das Geschlecht oder das Aussehen) und Namen (und damit beispielsweise die Herkunft) nicht unkenntlich gemacht sind.
In Gender- und Diversitytrainings oder Anti-Bias-Trainings werden solche Muster sichtbar gemacht und bearbeitet, sie erweitern den Blick und werden in vielen Weiterbildungsprogrammen der Hochschulen, aber auch in außeruniversitären Bildungseinrichtungen in großer Breite angeboten.
Eine Liste von Anbietern von Diversity- und Anti-Bias-Trainings finden Sie hier.
Mehr zu Gender- und Diversitykompetenz im Gender-Glossar der Universität Leipzig.
Doch nicht nur Lehrende sollten über Gender- und Diversitykompetenz als Schlüsselkompetenz verfügen, sie sollten sie auch den Studierenden vermitteln können. Viele von ihnen werden später in Leitungsfunktionen oder in Unternehmen tätig sein, die sich durch eine hohe Diversität ihrer Mitarbeiter*innen auszeichnen. Oder sie müssen sich auf unterschiedlichste Bedarfe ihrer Kundinnen und Kunden einstellen. Auch von Ingenieurinnen und Ingenieuren werden eine gute Kommunikationsfähigkeit und die Befähigung erwartet, in gemischten Teams arbeiten zu können. Hierfür ist Gender- und Diversitykompetenz eine unverzichtbare Voraussetzung.