Wir gratulieren ganz herzlich Louisa Tolu Obisesan von der Frankfurt UAS zum Erhalt des Henriette-Fürth-Preises 2021!
Der Henriette-Fürth-Preis dient der gezielteren Förderung besonders qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich der Frauen- und Genderforschung an hessischen Hochschulen.
Die Bachelorarbeit von Louisa Tolu Obisesan: Professional Fragility? Abwehrmechanismen (weißer) Sozialarbeiter*innen in rassismuskritischen Trainings der Frankfurt UAS hat im Jahr 2021 den Nachwuchsförderpreis des gFFZ für ihre Abschlussarbeit gewonnen. Betreut wurde die Arbeit von Prof. Dr. Kathrin Schrader und Prof. Dr. Sarah Elsuni. Das gFFZ zeichnet damit nicht nur die Absolventin aus, sondern würdigt auch die Arbeit der Betreuenden.
Louisa Tolu Obisesan wagt sich an ein heikles Thema, denn sie geht der Frage nach, wie es eigentlich in der Profession Soziale Arbeit praktisch aussieht mit den hochgehaltenen Selbstansprüchen der multikulturellen Offenheit und antirassistischen Haltung. Damit liefert sie einen wertvollen Beitrag nicht nur für die anti-rassistische Fachdebatte in der Sozialen Arbeit, sondern auch für andere gesellschaftliche Institutionen. Ihre Studie stellt darüber hinaus eine ‚Blaupause‘ für die fachliche Auseinandersetzung mit anderweitigen Herrschafts- und Diskriminierungsverhältnissen dar. Denn auch für den professionellen Umgang mit Sexismus, Homophobie, Antisemitismus, Ageismus, Ableismus oder Bodyismus stellt sich die kritische Frage, ob und wie damit wirklich ernst gemacht wird und werden kann.
Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen in rassismuskritischen Trainings für Sozialarbeiter*innen untersucht Louisa Tolu Obisesan, inwiefern es unter Sozialarbeiter*innen letzten Endes nicht die gleiche ‚white fragility‘ – das Unbehagen – gibt, das weiße Menschen befällt, wenn sie sich mit ihren eigenen Rassismen konfrontiert sehen, wie dies aus entsprechenden Trainings mit anderen Gruppen bekannt ist – und dies obwohl sie doch qua Profession eigentlich Expert*innen des Rassismus sein sollten.
Sehr differenziert und theoretisch und empirisch fundiert, zeichnet Louisa Tolu Obisesan nach, wie schwierig es für weiße Menschen allgemein und soziale Fachkräfte im Besonderen ist, die eigenen Verstrickungen in rassistische Praktiken und Strukturen zu sehen und auszuhalten. Sie fühlen sich häufig tief verletzt, an den Pranger gestellt, in ihren Werten angegriffen und mobilisieren diverse Abwehrmechanismen. Während die Auseinandersetzung genau damit die entscheidende rassismuskritische Bildungsressource für weiße Menschen ist, stellt sich für Schwarze Teilnehmer*innen und Teilnehmer*innen of Color die Frage, ob diese sich auch mit diesen Emotionen der weißen Teilnehmenden beschäftigen sollen.
Die Autorin bezieht hier klar Stellung: Kreisen die Trainings vorrangig um die weiße ‚fragility‘, werden rassistische Machtverhältnisse schlicht reproduziert. Sie plädiert deshalb für segregierte Trainings. Denn – so ihr Argument – schwarze Teilnehmer*innen und Teilnehmer*innen of Color brauchen ihre Energie für sich selbst und Formate, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind.
Auch wenn es für die Profession Sozialer Arbeit ernüchternd sein mag, von Louisa Tolu Obisesan einen kritischen Spiegel vorgehalten zu bekommen, wird doch genau dieses dringend gebraucht. Denn wie sonst kann fachliche Weiterentwicklung in einer Profession stattfinden, die sich als Menschenrechtsprofession begreift und ihren Beitrag dazu liefern will, eine Welt zu schaffen, in der das Leben aller gut ist – nicht nur unabhängig von der ethnischen Herkunft, sondern auch unabhängig von Besitz und Bildungsstand, sexueller Orientierung, Alter, Gesundheit, Fähigkeit, Religion und Aussehen und schließlich auch unabhängig von Geschlecht.
Dies ist ganz im Sinne der Namensgeberin des Preises: Henriette Fürth, die sich zeit ihres Lebens als Publizistin, Sozialpolitikerin, Frauenrechtlerin und Sozialwissenschaftlerin für soziale Gerechtigkeit stark gemacht hat.