Henriette Fürth (1861-1938), in Gießen als Tochter jüdischer Eltern geboren, lebte in Darmstadt und Frankfurt und hat sich einen Namen gemacht als Publizistin, Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin. Nicht nur ihr sozialpolitisches Engagement war vielfältig, auch ihre wissenschaftlichen Arbeiten brachten ihr große Anerkennung ein, so dass sie als erstes weibliches Mitglied in die Deutsche Gesellschaft für Soziologie aufgenommen wurde. Als Autodidaktin und Mutter von acht Kindern, als Jüdin, die Zeit ihres Lebens gegen den Antisemitismus kämpfte, hat sie selbst vielfältige Erfahrungen mit gesellschaftlicher Diskriminierung machen müssen, die in ihre Arbeit und ihr Engagement mit eingeflossen sind.
Die Historikerin Christina Klausmann schrieb zu ihr:
"Da sie weder religiösen noch politischen Dogmen folgte, noch sich kritiklos ein- und unterordnete, geriet sie mitunter auch innerhalb der jeweiligen Gruppe in die Position der Außenseiterin: Sie war den konservativen Juden nicht jüdisch genug, den Proletarierinnen zu bürgerlich frauenrechtlerisch, den Bürgerlichen zu sozialistisch. Andererseits ermöglichte ihr diese Randständigkeit, Gruppen- und Klassengrenzen zu überwinden und zu vermitteln. Sie war in der bürgerlichen wie in der proletarischen Frauenbewegung als Expertin für sozial-politische Themen ebenso geschätzt wie in den Kreisen bürgerlicher Sozialreformer, und sie meldete sich in fast allen wichtigen Debatten wie Frauenerwerbsarbeit, Arbeiterinnen- und Mutterschutz, Reform der sexuellen Ethik, Prostitution, Bevölkerungspolitik zu Wort."
Dem gFFZ erschien Henriette Fürth aufgrund der Vielfältigkeit der von ihr publizistisch und wissenschaftlich bearbeiteten Themen, die viele Fachgebiete abdecken oder berühren, die an den hessichen HAWs vertreten sind, aber auch aufgrund ihres emanzipatorischen Engagements und ihres ungewöhnlichen Lebenslaufs, in dem sich bis heute aktuelle Probleme von Frauen widerspiegeln, als geeignete Namensgeberin für unseren Nachwuchsförderpreis.
Literatur zu Henriette-Fürth:
Seibel, Ina: "Frauenbewegung, Sozialdemokratie und Judentum - Henriette Fürth als Randseiterin" Eine aktuelle biografische Annäherung an Henriette Fürth. Vorgelegt als wissenschaftliche Examensarbeit bei Prof. Dr. Gerhard Wagner, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Download mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Katzenstein, Simon (Bruder von Henriette Fuerth) (1931): Henriette Fürth; Versuch einer Würdigung zu ihrem 70. Geburtstag, 15. August 1931.
Sinzheimer, H: Nachruf. In: de socialistische gids. 1938. S. 483-186.
Weiland, Daniela (1983): Geschichte der Frauenemanzipation.
Krohn, Helga (1991): „Du sollst Dich niemals beugen“. Henriette Fürth: Frau, Jüdin, Sozialistin. In: Peter Freimark: Juden in Deutschland.
Büttner, Monika (1999): Henriette Fürth [1861-1938]. In: Wegbereiterinnen der modernen Sozialarbeit. Texte und Biographien zur Entwicklung der Wohlfahrtspflege.
Epple, Angelika (1996): Henriette Fürth und die Frauenbewegung im deutschen Kaiserreich.
Klausmann, Christina (1997): Politik und Kultur der Frauenbewegung im Kaiserreich: das Beispiel Frankfurt am Main.
Graulich, Monika/ Härpfer, Claudius/ Wagner, Gerhard/ Apitzsch, Ursula/ Klingenberg, Darja (2010): Henriette Fürth. Streifzüge durch das Land eines Lebens. Autobiographie einer deutsch-jüdischen Soziologin, Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin (1861-1938). Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen XXV, ISBN: 978-3-921434-30-7.